Frühjahrstraum am Wannsee

Wir sitzen am Wannseestrand
am Großen Fenster.
Zwischen uns zwei Gläser und eine Flasche Brunello.
Ich schau Dir in die Augen.
Deine Haare tänzeln mit dem Frühjahrswind.
Mit dem Wind kommt auch das Wasser,
und küßt verheißungsvoll das Ufer.
Die letzten Sonnenstrahlen des Tages
begrüßt das Grammophon mit
den letzten Akkorden von O Donna Clara.
Wir sagen nichts.
Was gibt es denn groß zu sagen?
Wir sind da,
zusammen,
hier fällt kein Wort,
hier fehlt kein Wort.
Das Brunello-Aroma vermengt sich
mit dem zartherben Geschmack Deiner Haut,
eine Kombination, die in keinem Kochbuch steht.
Am anderen Ufer leuchten, Kerzen gleich,
die Lampen in den kleinen Fenstern auf.
Ist dir nicht kalt? fragst Du,
und ich lege mich bejahend in Deine Arme.
Und so liegen wir
jahrelang.
Der Wind weht,
das Wasser tanzt,
und Lichtjahre von uns entfernt
zieht ein einsames Segelboot an uns vorüber.
Soll ich noch was auflegen?
Aber in Wirklichkeit willst Du bloß Deinen von mir eingeschläferten Arm wieder wecken.
Wir liegen einander gegenüber,
zärtliche Seitenlage.
Meine Hand spürt die Wärme Deines Busens,
so wie mein Busen die Wärme Deiner Hand.
Alles rhythmisch, zyklisch.
Der unendlich weit entfernt klingende Straßenverkehr,
das Wasser,
der Wind,
die flatternden Blätter,
meine Atemzüge,
die synchron mit den Deinen erklingen.
Schließlich schlafen wir ein,
und ich denke:
Schöner Traum, bloß:
Dich muß ich erst mal finden.

13.11.10 – “Havel” wurde durch “Wannsee” ersetzt, da ich neulich erfahren habe, daß das Große Fenster zwar in der Gegend der Unterhavel, jedoch eigentlich am Wannseestrand liegt.

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