35-Mark-Ticket – Erster Teil

I. Bf Fieberbrunn (Tirol)

Vorm kleinen Bahnhof Fieberbrunn
steh ich, vor Kälte zitternd;
mein rechtes Bein ist noch sehr wund
vom Flug aus meinem Schlitten.

Abfahrt D-Zug Richtung Norden.
Entzückend ist die Wärme
Zurück zu Münchens Bajuwarenhorden,
auf dem Weg in die preißische Ferne.

II. München Hbf

Nach einer Woche Dorfidyll
grüßt mich Münchens Gedränge.
Mit Koffern (zwei, ganz überfüllt)
mach ich mich durch die Menge.

Des Zeitdrucks bin ich voll bewußt; ich schau zur Uhr empor.
Von Hungers wegen fahr ich dann per U-Bahn zum Sendlinger Tor,
fahr dann zurück zum Hauptbahnhof, und find ‘nen Automaten.
Jetzt bin ich erstmal satt, erholt von Pizza und von Spaten.
Nen Zwanz’ger, Zehner, und nen Fünfer werf ich dann hinein,
und nehm dann meinen Fahrausweis; ein schönes Wochenend wird’s sein.

Denn diesmal fahr ich nicht etwa mit IR oder RB,
sondern endlich mal mit der berühmten ICE.
In den weichen Sitzen kann man angeblich fast liegen;
direkte Fahrt, also wird auch nicht dauernd umgestiegen.

III. Die Offenbarung

Das wird echt schön, denk ich, und mach mich sofort nach dem Kauf
zum DB-Infoschalter die Treppen gleich hinauf.

"Mit SW-Ticket nach Berlin,
wie läßt sich das am schnellsten machen?"
Die Augen der DB-Frau glühn,
jetzt wird sie mich auslachen.
Grinsend gibt sie dann mal schnell die ganzen Daten ein,
"I sog Ehn’ gleich, die Foat wird wohl a bißerl länga sein."

Schadenfroh reicht sie mir ‘s Blatt mit den Reisedaten drauf,
und mein Wunschtraum von ICE löst sich ganz plötzlich auf.
‘S ist alles IR und RB, jeweils nur kurze Strecken.
Und an der Reisedauer könnte man ja glatt verrecken.
Zwischen Abfahrt und Ankunft
liegt ‘ne 26-Stunden-Fahrt.
Das sprengt den Rahmen der Vernunft!
Ich glotze wie erstarrt.

Zu allem Überfluß wird auch gleich sechsmal umgestiegen.
Ich könnt schon vor lauter Verdruß ne Kreislaufkrise kriegen.

Doch denk ich, davon laß ich mich nicht einfach so abschrecken,
denn wer Schönes haben will, muß auch ganz schön einstecken.

Ich merk mir schon die ersten Runden,
Nürnberg, Hof, dann Plauen.
In Hof ist der Umstieg mit ‘nem Haken verbunden.
Ich lese voller Grauen:
Aufenthalt: 120 Sekunden;
Verspätung könnt alles versauen,
In Lichtentanne (hat sogar die Landkarte vergessen),
wird Nachts fast eine Stund in so ‘nem Warteraum gesessen.
Ankunft Leipzig: Mitternacht.
Aufenthalt: vierundhalb Stunden.
Darauf folgt Dessau, dann Berlin
(mit der Frage verbunden:
Schaff ich das? Kann ich’s durchziehn?)
Es würd mich schon sehr wundern.

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