Verse aus dem Exil

Hier kann kaum jemand meine Verse lesen,
doch schreib ich sie (seit Kurzem) unentwegt,
als könnt ich damit die Sehnsucht auflösen,
die seit acht Jahren mein Herz in sich hegt.
Hör ich hier mal ein "J" (wie in "jewesen"),
spür ich, wie mein Gemüt sich plötzlich regt,
und seh ich Null-Drei-Null vor ner Rufnummer,
erwacht etwas in mir aus tiefstem Schlummer.

Selbst Straßennamen schmecken mir stets köstlich.
Vor allem "Alex" ist ein hoch Genuß,
auch "Ku’damm" klingt mir, wenngleich nicht ganz östlich,
wie verscholl’nen Freundes warmer Gruß.
Hör ich Rosenthaler Platz, denk ich ganz plötzlich
an jene Mischung Freude und Verdruß,
mit der ich damals jedem Tag begegnet,
in Alt-Berlin, wo’s selbst bei Sonne regnet.

"Potsdamer Platz" kennt man vom Hörensagen.
("That’s where the wall was" heißt’s in Juh-Eß-Eh.)
"Charlottenburg" hingegen erntet Fragen,
genau wie "Friedrichshain" und "Plötzensee".
Wie’s einem hier geht? Tja, man kann nicht klagen,
schon gar nicht über die Scheiß-BVG.
Und könnt man hier die Namen buchstabieren,
selbst dann würden sie keinen intressieren.

Es hat sich sicher einiges geändert:
nicht mal der Ärmste will ne D-Mark ham;
die Straßen, durch die ich damals geschlendert –
schon wieder tragen manche neue Nam’.
Wird’s bürgerlich, wohin der Blick sich wendet?
Bist du denn doch noch lieber tot als zahm?
Ich hör schon deine bittren Winde wehen,
und werd erneut in deiner Mitte stehen.

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